Mohnblume
(Foto: Gabi Faulhaber)

Anfrage der Fraktion DIE LINKE.: Zukunft des Klamenhofs als Gedenkstätte

Anfrage der Fraktion Die LINKE vom 14. April 2022
„Sanierung, Nutzung und Ausgestaltung des Kalmenhofs als Gedenkstätte“ nimmt der Verwaltungsausschuss wie folgt Stellung:

1. Im Haushalt des LWV Hessen sind 1,3 Millionen € für die Sanierung des Kalmenhofs eingestellt, wie sollen diese genau genutzt werden?

Das ehemalige Krankenhausgebäude und die ehemalige Liege- respektive Leichenhalle sind umfassend sanierungsbedürftig. Sie sind gegenwärtig im Eigentum von Vitos Rheingau. Der LWV Hessen wird durch die Gedenkstätte Hadamar für eine würdige Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen "Euthanasie“-Verbrechen im Kalmenhof sorgen. Aus diesem Grund werden das Dachgeschoss im ehemaligen Krankenhausgebäude, die ehemalige Leichenhalle sowie das umgebende Gelände für die Aufnahme von Ausstellungselementen zur Erinnerung an die Opfer baulich vorbereitet. Die im Haushalt eingestellten 1,3 Millionen € umfassen in einer ersten Schätzung den Anteil des LWV für die Sanierung der beiden genannten Gebäude und die Herrichtung des umgebenden Geländes.

2. Welche Schäden sind durch Vandalismus am Gebäude entstanden und wie soll die bauliche Sicherung des denkmalgeschützten ehemaligen Krankenhauses und der Leichenhalle auf dem Kalmenhofgelände in Idstein erfolgen?

Das ehemalige Krankenhausgebäude und die ehemalige Leichenhalle am Veitenmühlberg in Idstein stehen seit dem Umzug der Außenstelle der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik Rheinhöhe im Jahr 2006 leer, das Krankenhausgebäude wurde danach nicht mehr genutzt.
Die Schäden, die durch Vandalismus und Diebstahl entstanden sind, haben sich im Laufe der Jahre summiert. Das Gebäude bzw. die Leichenhalle wurden ca. 50 Mal aufgebrochen und immer wieder durch den Eigentümer Vitos Rheingau gesichert.
Die Fassade wurde mehrfach mit Graffiti besprüht und wieder instand gesetzt. Alle Außentüren, auch die der Leichenhalle, wurden aufgebrochen und zerstört. Viele Scheiben wurden zerschlagen bzw. eingeworfen, Elektroinstallationen wurden manipuliert und teilweise zerstört, im Gebäude verbliebene Feuerlöscher wurden abgefeuert. Der Heizkreisverteiler und Rohre aus Kupfer wurden gestohlen. Das Dach der Leichenhalle wurde partiell zerstört und zeitnah zur Bauwerkssicherung instandgesetzt. Das Tor der Garage hat ebenfalls Schaden genommen.
Zu den Pflegeeinsätzen von Vitos gehört ferner die Beseitigung von Müll aller Art, der insbesondere im Rahmen von Partys, die im und um das Gebäude herum illegal stattgefunden haben, hinterlassen wird.
Eine wirkliche Sicherung des Gebäudes war aufgrund seiner abgelegenen Lage nicht möglich.
Um das Gebäude vor Vandalismus zu schützen, wird als Möglichkeit gesehen, es wieder einer Nutzung zu zuführen. Dafür ist eine Kernsanierung erforderlich.

3. Gibt es mittlerweile Pläne, wie ein Gedenkort Kalmenhof ausgestaltet werden könnte? Welche (weiteren) Fördermöglichkeiten gibt es diesbezüglich auf Landes- und Bundesebene?

Überlegungen zur Entwicklung des Gedenk- und Lernorts Kalmenhof in Idstein
Der geplante Gedenk- und Lernort Kalmenhof erstreckt sich über zwei miteinander verzahnte Ausstellungen an drei historischen Orten, die über ein Wegesystem miteinander verbunden sind. Damit ist zum einen das „Krankenhausgebäude“ gemeint, insbesondere das Dachgeschoss als Standort der ehemaligen „Kinderfachabteilung“, weiterhin das es umgebende Gelände mit der ehemaligen Liege- bzw. Leichenhalle und schließlich das als Gedenklandschaft zu entwickelnde Grabgelände.

Erläuterungen
1) Die Ausstellung im Dachgeschoss des ehemaligen Krankenhauses fokussiert sich auf den Teilaspekt der sogenannten „Kindereuthanasie“. Dabei werden die historischen Zusammenhänge der „Kindereuthanasie“ erläutert, Netzwerke beleuchtet, und Lebensläufe der beteiligten Täterinnen und Täter vorgestellt. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf den Biografien der Opfer. Methodische Vielfalt und zeitgemäße, digitale Präsentationsformen im Bereich der Ausstellungsgestaltung und Bildungs- und Vermittlungsarbeit sollen den Ort langfristig und nachhaltig als „Gedenk- und Lernort“ in der Region etablieren.
2) Die Außenausstellung soll nach derzeitigen Vorüberlegungen in Form eines Rundgangs
über das Gelände des Kalmenhofs führen und greift die Geschichte der Institution als Behinderten- und Fürsorgeeinrichtung von der Gründung bis zum Ende der 1960er Jahre auf. Ein Schwerpunkt ist dabei die Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945). Thematisiert werden: die Ausrichtung der Heilerziehungsanstalt ab 1933 nach nationalsozialistischen Vorgaben, die Auswirkungen des Krieges auf die Einrichtung, die Rolle des Kalmenhofs als Zwischenanstalt in der „Aktion T4“ und schließlich der Kalmenhof selbst als Tatort nationalsozialistischer „Euthanasie“-Verbrechen. Daneben sind die Nachgeschichte dieser Verbrechen, insbesondere die justizielle und erinnerungspolitische Aufarbeitung ebenso wie das Schicksal der Heimkinder in den 1950er und 60er Jahren Gegenstand der Ausstellung.
3) Hinsichtlich des Grabgeländes müssen noch weitere Rahmenbedingungen geklärt werden; prinzipiell wird es in die vorgestellte Konzeption integriert; es ist jedoch als eigenständiges Projekt zu betrachten.
Für die Erarbeitung und Einbringung der Ausstellung stehen nach jetzigem Kenntnisstand gegenwärtig keine Fördermöglichkeiten auf Landes- bzw. Bundesebene zur Verfügung.

4. Gibt es Bemühungen, zusammen mit benachbarten Universitäten, die Geschichte des Kalmenhofs weiter zu erforschen? Welche Forschungsdesiderate gibt es bezüglich der Lage der Gräber?

Ein vom Land Hessen finanziertes historisches Forschungsprojekt erforscht gegenwärtig die Geschichte der sogenannten Zwischenanstalten der "Euthanasie“-Tötungsanstalt Hadamar.
Dieses Forschungsprojekt ist beim Hessischen Landesamt für historische Landeskunde an der Universität Marburg angesiedelt. Das Forschungsprojekt wurde im Juni 2021 begonnen und wird bis Ende 2023 gefördert. Das Forschungsprojekt greift auf historische Unterlagen und Erkenntnisse des Archivs des LWV Hessen sowie der Gedenkstätte Hadamar zurück und steht mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fachbereichs 403 im fachlichen Austausch. Ein wissenschaftlicher Beirat gewährleistet Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit, unterstützt die Bearbeiter des Forschungsprojekts und sichert die Qualität der Arbeitsergebnisse. Erster Beigeordneter Dr. Jürgens und der Leiter der Gedenkstätte Hadamar, Herr PD Dr. Jan Erik Schulte, sind Mitglieder des wissenschaftlichen Beirates.
Das Gräberfeld der "Euthanasieopfer“ des Kalmenhofs in Idstein sowie die unmittelbare Umgebung ist im Rahmen mehrerer Grabkampagnen unter Federführung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen/HessenArchäologie und unter Einbeziehung des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge sowie des rechtsmedizinischen Instituts der Universitätsklinik der Universität Frankfurt/Main in Absprache mit Vitos Rheingau, Vitos Teilhabe und dem LWV Hessen bzw. der Gedenkstätte Hadamar untersucht worden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in einem wissenschaftlichen Bericht des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen/HessenArchäologie zusammengefasst werden. Der Bericht ist noch nicht erschienen, sondern in Vorbereitung.

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