
Haushaltsrede der Fraktion DIE LINKE. im LWV
Verbandsversammlung am 10. März 2021
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
das Jahr 2020 mit der Corona-Pandemie war für alle eine große Herausforderung.
Ganz besonders auch in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.
Viele soziale Dienstleister haben flexibel und mit großem Engagement auf die Anforderungen reagiert und versucht, ein möglichst gutes Angebot für die behinderten Menschen aufrecht zu erhalten.
In diesem Zusammenhang haben wir es auch sehr begrüßt, dass der Landeswohlfahrts-verband an einer vollständigen Refinanzierung der Träger festgehalten und unbürokratische Wege gefunden hat.
Es ist aber festzustellen, dass soziale Dienstleister von der Corona-Krise sehr unterschiedlich betroffen waren und sind.
Einige Einrichtungen kämpfen mit großen Mehrbelastungen und übernehmen freiwillig Aufgaben, die anderswo nicht mehr geleistet werden (können). Andere sind minder-ausgelastet bis zum Ruhen des Angebots.
Werkstätten arbeiten zum Beispiel im Schichtbetrieb. Es ist sehr unterschiedlich, wie mit der Teilnahme am Werkstattangebot verfahren wird. Teilweise werden Menschen mit Behinderungen, die keine Hygienerichtlinien einhalten können, vom Angebot völlig ausgeschlossen und sind seit einem Jahr ohne Tagesstruktur.
Daher ist es erst mal verständlich, dass der LWV für 2021 ein anderes Verfahren wählen will.
Jetzt will er nur noch zahlen, wenn Leistungen auch erbracht werden. Die Leistungserbringung muss gegenüber dem LWV dokumentiert werden.
Gegebenenfalls kann der Minderaufwand, der vom LWV nicht mehr bezahlt wird, beim Corona-Teilhabefond geltend gemacht werden.
Wenn glaubhaft Mehraufwand nachgewiesen wird, werden bilateral Ausgleichszahlungen befristet bewilligt, ohne dass wie in 2020 zuvor Rücklagen eingebracht werden müssen.
Zu dieser Vorgehensweise stehen wir kritisch: Auf die Träger kommt ein hoher Verwaltungsaufwand zu.
Jetzt ist die Frage, wie man darauf reagiert.
Wichtig wäre es, Mindeststandards festzulegen: Kleinere Gruppen und dementsprechend einen höheren Personaleinsatz. Mindestens 6 Stunden am Tag muss es eine Tagesstruktur geben. So lassen sich Hygienebedingungen schaffen und einhalten. Das wird natürlich auch Mehrkosten nach sich ziehen, die vom LWV getragen werden sollten.
Keinesfalls kann es sein, dass dauerhaft Menschen mit Behinderungen sich selbst und ihren Familien überlassen und ohne Tagesstruktur sind.
Hier braucht es verbindliche Pandemiepläne.
Unter Pandemiebedingungen müssten wir uns darüber verständigen, welche Mindeststandards in den Einrichtung einzuhalten sind.
Wenn der LWV jetzt von seiner Refinanzierung von 2020 abweicht und nur noch die Leistungen erstatten will, die tatsächlich erbracht und nachgewiesen werden, stellt sich doch die Frage: Was hat sich denn Wesentliches im Vergleich zu 2020 an den Gegebenheiten mit Corona verändert? Ist es jetzt 2021 besser geworden?
Beschlussvorschlag:
Der Verwaltungsausschuss wird aufgefordert, dem Verein „Gemeinwohl Ökonomie. Ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft“ beizutreten.
Der Verwaltungsausschuss wird aufgefordert, eine Gemeinwohlbilanz der Verwaltung des Landeswohlfahrtsverbandes und der Vitos GmbH zu erstellen und sukzessiv alle sonstigen Teilbereiche (Forst und Schulen) zu bilanzieren.
Der Verwaltungsausschuss wird aufgefordert, eine Zukunftskonzeption für den Landes-wohlfahrtsverband - organisatorisch und konzeptionell - auf Basis des Gemeinwohl-ökonomie-Modells zu erarbeiten und in den Ausschüssen zu beraten.
Diese Konzeption soll Ziele und Ausrichtung des LWV, die Organisationsstruktur, sozialstrukturelle Planung und Sozialraumorientierung, Auflösung der Zielgruppensystematik und Dezentralisierung, nachhaltige Wirtschaft und ethische Grundsätze ( u.a. bei der Vergabepraxis ) umfassen.
Begründung:
Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ)-Bewegung hat ein Instrument entwickelt, das durch Nachhaltigkeitsberichterstattung zu einem ethischen und nachhaltigeren Wirtschafts-system führen soll.
Die Bewegung wurde 2010 ins Leben gerufen. Sie umfasst nach eigenen Angaben weltweit mittlerweile mehr als 11 000 Unterstützer, 100 Regionalgruppen, 30 Fördervereine, 500 bilanzierte Unternehmen und andere Organisationen, knapp 60 Gemeinden und Städte sowie 200 Hochschulen, die die Vision der Gemeinwohl-Ökonomie umsetzen und weiterentwickeln.
Ein politisches Gemeinwesen kann nur dann effektiv funktionieren, wenn es Klarheit über seine Ziele und Ausrichtung hat. Der Landeswohlfahrtsverband hat sich in den letzten Jahren zu wenig mit zukunftsweisenden Themen und einer Neuausrichtung der Wirtschaft auseinandergesetzt.
Das Bruttoninlandsprodukt ,als bislang gängiges Ziel der (Wirtschafts-)Politik, hat aufgrund seiner Eindimensionalität und der Nichterfassung dessen, was ein gutes Leben für alle ausmacht, ausgedient. Alternativen wie der „Better Life Index“ der OECD, die Sustainable Development Goals (SDG) der UNO oder das „Bruttonationalglück“ im Zwergstaat Bhutan wurden bereits auch international anerkannt und aufgegriffen.
Mit der sogenannten Gemeinwohl-Matrix für Kommunen und Unternehmen wurde ein Instrument entwickelt, Gemeinde, Städte und Unternehmen in ihrer Ausrichtung auf Gemeinwohl und Nachhaltigkeit zu untersuchen. Die Gemeinwohl-Ökonomie orientiert sich am eigentlichen Zweck des Wirtschaftens – der Erfüllung unserer menschlichen Bedürfnisse. Dabei geht es vor allem um gelingende Beziehungen: Sie sind die Voraussetzung, um glücklich zu sein – sie sind Voraussetzung für das Gemeinwohl. Dies steht unserem bisherigen - rein betriebswirtschaftlich - ausgerichteten Wirtschaftsmodell diametral entgegen.
Die Wirtschaftsleistung, in Geld gemessen, sagt nichts darüber aus, ob das Gemeinwohl steigt oder sinkt. Um zu messen, ob der Zweck erfüllt wird, sind andere Messgrößen gefragt.
Dies ist ein Änderungsantrag der Linken zu einem Antrag der Fraktionen
SPD, FDP, FW und Bündnis 90 / Die Grünen. Den Antragstext dieser Fraktionen finden Sie unter unserem Änderungsantrag hier auf dieser Seite.
Änderungsantrag der Linken:
Der Verwaltungsausschuss möge gemeinsam mit Vitos prüfen, wie eine bessere Versorgung für Menschen mit psychiatrischem bzw. psychotherapeutischem Hilfebedarf, insbesondere von Kindern und Jugendlichen an der Schnittstelle zur Jugendhilfe sowie von Menschen mit geistiger Behinderung, realisiert werden kann.
Hierzu sollte neben den Gebietskörperschaften auch das Hessische Sozialministerium und die Kassenärztliche Vereinigung eingebunden werden. Darüber hinaus solltenTräger der Eingliederungshilfe für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Angehörigen- und Betroffenengruppen, psychotherapeutische Interessensverbände, ehrenamtliche Gruppierungen in der Flüchtlingshilfe in die Beratungen miteinbezogen werden.
Der Verwaltungsausschuss wird aufgefordert, ein hessenweites Konzept für die Sicherstellung der psychiatrischen, psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Versorgung - insbesondere in Flächenlandkreisen - zu entwerfen, dass folgende
inhaltliche Schwerpunkte haben soll:
1. Sozialpsychiatrische und integrierte Versorgungsmodelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene - besonders in Flächenlandkreisen - auszubauen und zu entwickeln.
2. Wartezeiten in den Kinder- und Jugendpsychiatrien abzubauen und flächendeckend
sozialpsychiatrische Versorgungsmodelle - auch für Kinder und Jugendliche - zu schaffen.
3. Die stationsäquivalente Versorgung hessenweit zu fördern, auszubauen und personell ausreichend auszustatten.
4. Therapiemöglichkeiten für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Störungen zu schaffen.
5. Wohnprojekte und besondere Therapieangebote für Menschen mit autistischen Störungen zu schaffen und spezielle Therapieangebote für Kinder und Jugendliche mit Autismus zu entwickeln und auszubauen.
6. Die Versorgung von Menschen mit schweren Persönlichkeitsstörungen zu verbessern, durch spezielle integrierte Versorgungsmodelle und Angebote (z.B. DBT-Programme / Psychodynamischkonfliktorientierte Psychotherapiemodelle).
7. Die psychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen Flüchtlingen zu verbessern und sicherzustellen, sodass es auch vor und mit einer Duldung die Möglichkeit von Kostenübernahmen gibt.
8. Ein Screening zur Erkennung von psychischen Erkrankungen in Erstaufnahmeeinrichtungen einzuführen und Mitarbeiterinnen, die mit Flüchtlingen arbeiten, besonders zu schulen. Spezielle einzeltherapeutische und gruppentherapeutische Angebote für schwere Traumatisierungen in Erstaufnahmeeinrichtungen einzurichten.
9. Therapieangebote in leichter Sprache anzubieten.
Begründung
Die Fraktion DIE LINKE begrüßt den Antrag der Koalition, sich mit der Thematik der psychotherapeutischen Versorgung in Hessen auseinanderzusetzen. Eine Debatte über eine ausreichende psychotherapeutische und sozialpsychiatrische Versorgung ist in Hessen überfällig.
âBildungsgerechtigkeit muss höchste Priorität habenâ, erklärt Petra Heimer, Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE. Hessen, anlässlich des Tags der Bildung.
âFür den Kampf gegen AIDS wie gegen Corona müssen die Patente auf lebensrettende Mittel endlich ausgesetzt und deutlich mehr Ressourcen für die Gesundheitssysteme in den armen Ländern zur Verfügung gestellt werdenâ, erklärt Petra Heimer, Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE. Hessen
âEs ist den Angehörigen der Opfer, den Ãberlebenden und der âInitiative 19. Februar Hanauâ zu verdanken, dass nun endlich die öffentliche Aufklärung des Anschlags beginnen kannâ, erklärt Petra Heimer, Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE. Hessen.