Der Verbandsversammlung lag ein Grobkonzept zur organisatorischen Entwicklung des LWV vor. Es wurde mehrheitlich angenommen. Leider liegt der Text noch nicht öffentlich vor.
Das war unsere Rede:
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Die Fraktion die LINKE kann dem vorliegenden Grobkonzept zu einer neuen Organisations-struktur grundsätzlich zustimmen, da wichtige von uns geforderte Eckpunkte aufgegriffen wurden.
Die Fraktion DIE LINKE hatte in mehreren Anträgen gefordert, die Sozialraumorientierung zu stärken und sich für einen zentralen Fachbereich Sozialplanung eingesetzt. Wir begrüßen, dass der Landeswohlfahrtsverband diese Idee aufgegriffen hat und sowohl auf der zentralen Ebene der Steuerung als auch auf der regionalen Ebene eine Struktur- und Sozialplanung verorten will. Damit sind die Grundvoraussetzungen geschaffen, dass sich der überörtliche Träger für vergleichbare Versorgungsstandards in Hessen einsetzt und eingreifen kann, wenn bestimmte Hilfen und Angebote in Landkreisen und Städten fehlen.
Es darf nicht sein, dass Menschen mit Behinderungen gezwungen werden umzuziehen und aus ihrem familiären Umfeld herausgerissen werden, weil es keine Hilfen für spezielle Erkrankungsbilder vor Ort gibt. Wir können dies bereits in der Kinder- und Jugendhilfe beobachten. Hessen unterhält keine Intensivgruppen und Landkreise und Städte bringen Kinder und Jugendliche teilweise in den neuen Bundesländern unter - auch um Geld zu sparen, da dies kostengünstiger als in den alten Bundesländern ist. Die LINKE hatte sich gerade aufgrund dessen klar gegen das Lebensabschnittsmodell ausgesprochen. Wir sehen die Versorgungssituation der Kinder und Jugendlichen mit Besorgnis.
Die Stärkung der Sozialplanung von Seiten des Landeswohlfahrtsverbandes ist daher eindeutig zu begrüßen.
Auch die Eigeninitiative des Landeswohlfahrtsverbandes, Missstände im Bereich der psychiatrischen Versorgung beheben zu wollen, sehen wir als gutes Zeichendafür, dass der Landeswohlfahrtsverband wieder stärker die Verantwortung für eine vorausschauende Sozialplanung übernehmen will.
Auch die Auflösung der Zielgruppensystematik und einen Bereich für überörtliche Aufgaben beim LWV einzurichten und diesen nicht zu regionalisieren, ist begrüßenswert. Historisch gesehen war eine Zielgruppensystematik durchaus eine Errungenschaft, da dies zu Spezialisierungen und Erkenntnissen in Bezug auf bestimmte Arten der Behinderungen führte. Mittlerweile ist es eher zu einem Streitpunkt geworden, welche Zuständigkeit besteht, insbesondere bei „Komorbidität“.
Ebenso sinnvoll ist es, Hilfen, wie das Blindengeld überörtlich zu bündeln. Bei dem Feinkonzept sollte aber geklärt sein, dass Menschen mit Behinderungen nicht an zwei verschiedenen Stellen Anträge stellen müssen und es hier klare Absprachen und einen Ansprechpartner gibt. Schon die Trennung der Fachleistungen von den existenzsichernden Leistungen hat dazu geführt, dass Anträge grundsätzlich beim örtlichen und überörtlichen Träger gestellt werden müssten. Berufsbetreuer/innen in Hessen haben ihre Überforderung mit dieser Doppelstruktur bereits mehrfach geäußert. Das Bundesteilhabegesetz sieht leider diese Trennung vor, dennoch muss man sich hier bemühen, die Verwaltungswege zu vereinfachen und zu vereinheitlichen und mit den örtlichen Trägern Prozesse zu optimieren.
Skeptisch sehen wir vor allem in Hinblick der Umstrukturierung die neue einzuführende Finanzierungssystematik. Die allerdings heute nicht beschlossen wird und nicht Teil der heutigen Entscheidung ist. Ab 2022 soll Perseh auch im stationären Bereich Anwendung erfahren. Grundsätzlich war und ist das Metzler Verfahren sicherlich überarbeitungsbedürftig. Es wurde insbesondere im Hinblick auf Menschen mit geistigen Behinderungen entwickelt. Intention war, ein Verfahren für die „Bildung von Gruppen mit vergleichbarem Hilfebedarf“ nach § 93 BSHG zu finden. Diese Einteilung wurde oft als zu starr angesehen und zu sehr am Defizit orientiert. Dennoch ist es grundsätzlich einfacher, stationäre Einrichtungen mit Pauschalen abzurechnen als über das reine Fachleistungsstunden Prinzip. Auch wenn nicht intendiert, sehen wir die Gefahr in einem individualisierten System ähnlich wie bei der Pflege, minutengenau abrechnen zu wollen und sehr restriktiv Leistungen zu vereinbaren.
Schon jetzt kann man im sozialen Bereich erkennen, das Fachleistungsstunden zusammen gestrichen wurden und eine Arbeitsverdichtung stattgefunden hat, so dass kaum Zeit bleibt für Gruppensitzungen, Supervision oder die Ausbildung neuer sozialpädagogischer Kräfte.
Das Bundesteilhabegesetz sieht vor, sich am unteren Drittel der günstigsten Anbieter zu orientieren und hat neben dem Anspruch, modernes Teilhaberecht sein zu wollen auch die Intention, keine neuen Kostendynamiken entstehen zu lassen. Wenn möglich sogar Geld einsparen zu wollen. Gleichzeitig wird die Verwaltung allerdings ausgeweitet und verkompliziert. Schon durch das Personal werden Kosten ausgeweitet werden - ohne dass mehr Hilfen bei den Menschen mit Behinderungen ankommen.
In 2023 soll zusätzlich neu bestimmt werden, welche Personengruppen Anspruch auf Eingliederungshilfe haben. Wir werden daher genau beobachten, welche Vereinbarungen und Ziele der LWV auch im Feinkonzept verfolgt.
Und als Allerletztes: Meine Fraktion würde sich wünschen, dass dieses Konzept zur Aufbauorganisation im Vorfeld umfangreicher parlamentarisch diskutiert worden wäre und die Ausschüsse mehr in die Arbeit mit einbezogen sind. Wir finden es wichtig und richtig, dieses Konzept heute zu verabschieden, da es richtungsweisend für die nächsten Jahrzehnte ist und sich der LWV keinen weiteren Stillstand leisten kann. Dennoch sollten das Feinkonzept und alle damit verbundenen Problemlagen intensiver in den Ausschusssitzungen beraten werden. Die Verbandsverammlung des LWV ist ein Sozialparlament und alle Fraktionen müssen zur Kontrolle der Verwaltung auch an der konzeptionellen Arbeit beteiligt werden.